"Und der Friede Gottes, der
höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus
Jesus." Vertraut ist dieser Gruß vielen von uns. Oft spreche
ich ihn am Ende einer Predigt. Oft haben wir ihn als Abschluss einer Predigt
gehört.
Das Gesagte möge nachklingen in den Herzen und Gedanken der Hörerinnen
und Hörer. Was nicht oder unvollkommen gesagt wurde, möge von
Gott selbst verwandelt werden, so dass Frieden die Herzen und Gedanken
von uns allen erfüllt.
Nach biblischem Verständnis bewirkt ein solcher Friedensgruß,
was er mit Worten sagt. Das Wort hat Macht und Kraft zu tun, was es beinhaltet.
So ist es mit Gottes Wort. So ist es auch mit unseren Menschenworten.
Wir können mit unseren Worten einen anderen Menschen zerstören.
Wir können genauso einen anderen Menschen trösten, aufbauen.
Ein Friedensgruß wünscht nicht nur einem anderen Menschen Frieden,
sondern er nimmt den anderen hinein in den Frieden, er bringt dem anderen
Frieden.
Genau das geschieht durch den Vers, mit dem oft eine Predigt abschließt.
Er wünscht nicht nur Frieden, sondern stiftet Frieden, indem er den
von Gott geschenkten Frieden weiter sagt, weiter gibt.
Das wird noch klarer, wenn wir den Vers in seiner ursprünglichen
Form hören. Im griechischen Urtext steht hier eine feste Zusage:
"Der Friede Gottes, der alles menschliche Fassungsvermögen übersteigt,
wird eure Herzen und Gedanken bewahren."
Der Friede Gottes wird euch bewachen. In diesem Sinn wird das Wort, das
hier steht, hauptsächlich gebraucht. Wie Wächter eine Stadt
bewachen, so bewacht der Friede Gottes Herzen und Sinne der Glaubenden.
Er schließt sie ein in den Heilsbereich Jesu Christi.
Nun ist die Frage: Was ist das für ein Frieden, in dem unsere Herzen
und Sinne geborgen sind und der so viel höher ist als alles, was
wir unser vorstellen können?
Es ist der Friede, der von Gott ausgeht. Schalom in der Sprache der Bibel
meint umfassendes Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und
der Gemeinschaft. Schalom meint gutes, gelingendes Leben in gerechten
Beziehungen.
Der Psalm 72 zeichnet ein Idealbild dessen, was Frieden heißt. Der
Psalm ist ein Gebet um das Kommen des von Gott gesandten Königs
(Psalm 72,3-13):
"Unter seiner gerechten Herrschaft wird das Volk in Frieden leben
und Wohlstand haben im ganzen Land. Er soll den Benachteiligten Recht
schaffen und den Armen helfen und die Unterdrücker in die Schranken
weisen. Zu seinen Zeiten soll blühen die Gerechtigkeit, und der Wohlstand
wachse. Alle Könige sollen vor ihm niederfallen und alle Völker
ihm dienen. Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und
den Elenden, der keinen Helfer hat." Der Friede Gottes, ein Frieden,
der die Kluft zwischen Armen und Reichen ausgleicht. Gerechte Verhältnisse
sind sein Kennzeichen, Wohlstand und Wohlergehen für alle.
Welch krasser Gegensatz dazu ist die globale Wirtschaftsordnung, die uns
als neue Weltordnung verkauft wird. In der NRZ am Donnerstag stand auf
der ersten Seite eine Zusammenfassung vom Weltbevölkerungsbericht
der Vereinten Nationen.
Danach sind weltweit 800 Millionen Menschen unterernährt, 500 Millionen
leiden unter Wasserknappheit. "Die Globalisierung habe den Reichtum
vergrößert, aber das Einkommensgefälle verschärft
und die Umwelt enorm belastet. Die reichsten Länder der Welt verfügen
über 86 Prozent des privaten Konsums. Dagegen muss die Hälfte
aller Menschen muss mit weniger als fünf Mark pro Tag auskommen."
(NRZ vom 8.11.2001)
In dieser Entwicklung spiegelt sich eine tiefe Kluft zwischen uns Menschen
und Gott. Wir Menschen bauen eine Welt, die immer weniger mit dem Willen
und den Vorstellungen Gottes zu tun hat. Wir entwickeln die Schöpfung,
die Gott uns anvertraut hat, immer weiter von ihm weg. Gott hat die Welt
gut geschaffen. Er hat seine Friedensgedanken und seinen Friedenswillen
in seine Schöpfung hineingelegt. Er hat uns Menschen seine Gedanken
und seinen Willen kund getan. Wir könnten die Welt so gestalten,
wie es den Weisungen Gottes und seiner vorgegebenen Ordnung entspricht.
Aber wir tun genau das Gegenteil. Wir verlieren Gott und seine Weisungen
aus dem Blick.
Das ist eine Entwicklung, die wir hier im Land beobachten können.
Man bekommt den Eindruck: Die Mehrheit der Zeitgenossen hält Gottes
Gebote nicht für geeignet, das Alltagsleben in der Welt zu regeln.
Für viele ist der Glaube so eine Art Rückversicherung für
schlechte Zeiten. Sie sagen: "Wenn ich die Kirche brauche, dann muss
sie da sein." Aber in normalen Zeiten spielt die Kirche keine Rolle.
Auch der Glaube und die göttlichen Weisungen spielen keine Rolle
im Leben der meisten.
Handeln und Reden der Kirche?
Zusammengefasst komme ich zu der Einschätzung: Gott hat keine Konjunktur
in unserem Land, er ist schlichtweg nicht gefragt.
Die Bibel nennt dies Sünde, Absonderung. Wir Menschen sondern uns
von Gott ab. Das spiegelt sich in unserer unfriedlichen Welt deutlich
wieder.
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, greift genau
da ein: In unseren Unfrieden, in unsere Absonderung. Wir Menschen sagen
uns von Gott los, aber er geht uns nach. Wir Menschen erklären anderen
Menschen und damit seinen göttlichen Weisungen den Krieg, aber er
erklärt uns den Frieden. Wir Menschen tun alles, um unsere Beziehung
zu Gott zu zerstören. Aber Gott stellt unser gestörtes Verhältnis
zu ihm wieder her.
Er hat seinen Sohn und Gesandten zu uns kommen lassen, um uns zu erlösen
aus unserer tiefen Gottlosigkeit.
"Jesus Christus ist unser Friede". (Epheser 2,14) Denn er hat
die Mauern der Feindschaft abgebrochen, die wir Menschen aufgebaut haben
zwischen uns selbst, zwischen uns und Gott. Er hat uns Menschen gezeigt
und verkündet, dass es vor Gott kein Drinnen und Draußen gibt,
keine Aufteilung der Welt in Gute und Böse, in Gerechte und Ungerechte.
Er hat uns Menschen spüren lassen, dass wir zu ihm, zu Gott kommen
können auch als Sünder. Was verkehrt ist in unserem Leben und
in unserer Welt soll nicht zwischen uns und Gott stehen. Der Weg zu Gott,
der Weg zum Heil ist jederzeit offen. So hat Jesus unser gestörtes
menschliches Verhältnis zu Gott wieder in Ordnung gebracht.
Ich fasse zusammen: Der Friede Gottes ist Schalom, Wohlergehen für
alle Menschen Der Friede Gottes ist das umfassende Heil, das Gott in Jesus
Christus gestiftet hat. Von Gott aus steht nichts zwischen ihm und uns.
Unser durch die Sünde gestörtes Verhältnis zu ihm ist in
Ordnung gebracht.
Dieser Friede Gottes wird bewachen und bewahren unsere Herzen und Gedanken.
Das alte Kindergebet fällt mir ein: "Ich bin klein, mein Herz
ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein." Natürlich
soll in unseren Herzen Platz sein für andere Menschen, viel Platz
möglichst. Aber eben auch für Jesus. Das ist das Wahre an diesem
einfachen Vers. Auch Jesus will und soll in unseren Herzen wohnen. Der
Friede Gottes ist wie ein Wächter vor der Herzenstür. Er passt
auf, dass das Böse nicht in unser Herz eindringt. Wie eine schützende
Burg umschließt der Friede Gottes unser innerstes Wollen und Denken.
Gott nimmt uns hinein in den Heilsbereich Jesu Christi. Sein Friede bewahrt
und bewacht unsere Herzen und Gedanken, dass wir darin bleiben.
Das ist das Geschenk, das Gott uns macht. Er erklärt uns den Frieden.
Bei jedem Geschenk ist die Frage, was der Beschenkte damit macht. Paulus
ermahnt und ermuntert dazu, das Geschenk zu nutzen: "Was ihr gelernt
und empfangen habt, das tut. So wir der Friede Gottes mit euch sein."
Der Friede, den Gott schenkt, ist kein Ruhekissen, auf dem es sich bequem
ausruhen lässt. Er durchdringt unser innerstes Wollen - unsere Herzen
- und unser Denken - unsere Sinne. Wovon wir durchdrungen sind, das dringt
auch nach außen. Seid bedacht auf das, was ehrbar, gerecht und liebenswert
ist, schreibt Paulus. Jeder Christ kann und soll Frieden in seiner Umgebung
verbreiten. Als Christengemeinschaft sollen wir untereinander Frieden
halten. Und wir sollen den Menschen in unserer Stadt und unserem Land
den Frieden Gottes verkünden. Wir sollen sagen, was wir glauben.
Sagen, was wir als von Gottes Frieden Durchdrungene in der gegenwärtigen
Situation zu sagen haben. Das ist nicht nur unser Recht, sondern unsere
Pflicht als Christen. Wir sind es den Menschen um uns herum schuldig,
klar und deutlich Stellung zu nehmen zu dem, was in unserem Land und in
der Welt geschieht.
Unsere westlichen Regierungen haben sich in einen Krieg hinein manövriert,
aus dem sie nicht mehr von sich aus heraus kommen. Ein kluger Mensch hat
gesagt: Es ist immer leichter, einen Krieg zu beginnen als ihn zu beenden.
Wir Christen müssen es klar und deutlich sagen: Auf der Gewalt ruht
kein Segen. Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Der begonnene Krieg
muss umgehend beendet werden. Es kann nicht unsere Aufgabe als Deutsche
sein, nun auch noch Soldaten dahin zu schicken. Damit brechen wir ein
Versprechen, das wir Deutsche nach dem letzten Krieg gegeben haben: Nie
mehr und nie wieder wollen wir Krieg führen. Eine Verpflichtung,
die wir Deutsche uns auferlegt haben, wird damit endgültig zu den
Akten gelegt. Dagegen ist Widerspruch notwendig. Wir als Kirche und als
einzelne Christen müssen mit unter denen sein, die Widerspruch laut
werden lassen. Viele Menschen in unserem Land wissen nicht, was sie denken
und glauben sollen. Meiner Überzeugung nach hat die Kirche die Aufgabe,
den Menschen Orientierung zu geben. Vielleicht warten manchen Menschen
auf ein helfendes Wort von uns Christen. Wir haben Gottes Friedenszusage.
Wir kennen sein Friedensgebot und seine Friedensverheißung. Wer
wenn nicht wir soll der Welt Frieden verkünden?
Natürlich: Wir als einzelne Christen können wenig ausrichten.
Auch wir als kleine Gemeinde haben keinen großen Einfluss. Aber
wir können denen, die für uns sprechen, Mut machen, klarer und
eindeutiger für den Frieden Stellung zu nehmen. Wir können zum
Beispiel das Presbyterium beauftragen, im Namen der Gemeinde ein Friedenswort
zu sagen. Es gibt viele Möglichkeiten, an der öffentlichen Meinungsbildung
teilzunehmen.
Der Friede Gottes, der unsere Vorstellungskraft übersteigt, kann
Phantasie bei uns freisetzen. Wir können und wir dürfen Gott
zutrauen, dass er aus unseren kleinen Anfängen etwas macht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, wird unsere
Herzen und Sinne bewahren, dass wir mit Jesu Christus verbunden bleiben.
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