Predigt am 12. Oktober 2008 1. Mose 28,10-19 |
12. Sonntag nach Trinitatis |
Sie ist 65 Meter hoch und 32 Tonnen schwer, aus Stahl gefertigt, aber mit 24-karätigem Blattgold veredelt: Die "Goldene Leiter" , die aus dem vor dreieinhalb Wochen eröffneten "Forum Duisburg" emporragt. Das Kunstwerk soll ein neues Wahrzeichen der alten Hafen- und Industriestadt werden. Einkaufsströme, die bisher an Duisburg vorbeigingen, sollen nun in unsere Stadt gelockt werden. Die Goldene Leiter soll Symbol einer goldenen Zukunft sein. Das ist die Idee der beiden Künstler Johannes Brunner und Raimund
Ritz. Ihre Gedanken beschreiben sie so: Wer schon einmal da war, wird bestätigen: Es ist ein beeindruckendes
Kunstwerk, das die Stadt nun zu bieten hat. Mit Sicherheit wird es viele
Menschen in das Forum locken. Das ist ja der Zweck des Ganzen: Menschen
sollen in die Stadt kommen, um hier ihr Geld auszugeben. Sie sollen das
Gefühl haben: Es lohnt sich und macht Spaß, hier "shoppen"
zu gehen, wie Jugendliche heute sagen. Also ein Pluspunkt für unsere Stadt. Das ist die eine Seite. Die
andere Seite ist die: Das Forum mit seiner Goldenen Leiter ist auch ein
Symbol für die Werteveränderung, die in unserer Gesellschaft
stattgefunden hat. Nicht mehr der Kirchturm ist höchstes Wahrzeichen,
das Orientierung schafft. Viel wichtiger als geistige und moralische Werte
sind heute materielle Werte. Vom "Konsumtempel" schreiben Zeitungen.
Konsumieren, shoppen gehen, ist ein beliebtes Freizeitvergnügen.
Es geht nicht einfach nur darum, etwas zum Leben Notwendiges einzukaufen.
Sondern das Einkaufen wird zu einer Art religiösen Verrichtung. Die
zum Himmel aufragende Leiter verspricht, dass hier der Himmel auf die
Erde kommt. Die Erfüllung tiefer Bedürfnisse und Sehnsüchte
wird in Aussicht gestellt, die Sehnsucht nach Glück und Zufriedenheit,
die Sehnsucht, nicht allein zu sein, sondern zusammenzugehören mit
den vielen, die das gleiche Ziel haben. Mitten in der Stadt, wenige Meter von dem neuen Einkaufsparadies entfernt,
war am vergangenen Dienstag folgende Szene zu beobachten: Ein ärmlich
gekleideter Mann wühlt in einem Abfalleimer und findet dort ein
angebissenes Croissant. Ohne zu zögern steckt er das Backwerk in
seinen Mund. Die Goldene Leiter im Forum Duisburg stellt den bewussten Versuch dar, den alten Gott der Juden und der Christen abzulösen von dem neuen Gott des Marktes. Die Künstler selbst haben diesen Anspruch formuliert. Ihre Philosophie beschreiben sie so: "Die bis in den Himmel aufsteigende Leiter gilt als Symbol der Verbindung zwischen Himmel und Erde. Sie ist ein Traumgebilde, das in Jakobs Himmelsleiter und in märchenhaften Erzählungen beschrieben wird. Die Goldene Leiter wird Realität und zum wertvollen, einzigartigen Symbol. Als kirchturmhohe Skulptur schafft sie Orientierung im städtischen Raum. In der großen Glashalle wird sie erlebbar als goldenes Eingangstor." Jakobs Himmelsleiter ein Traumgebilde. Damit auch der Gott, dessen Stimme Jakob im Traum hört. Die Goldene Leiter dagegen Realität. Sie ist erlebbar als goldenes Eingangstor. Neben der Faszination löst das Kunstwerk Erschrecken in mir aus. Die Künstler benutzen ein Symbol der jüdisch-christlichen Tradition, um es umzudeuten. Die Himmelsleiter diente dazu, von Gott Weisungen zu empfangen. Die Goldene Leiter dagegen soll den von Menschen gemachten Gott des Marktes in den Himmel heben, ihm eine alles überragende Größe und Pracht verleihen. Hören wir noch einmal hin, was es mit der Himmelsleiter auf sich
hat: Es braucht keine goldene Leiter, um zu Gott zu kommen, und kein vergoldetes
Eingangstor, um in sein Haus einzutreten. Gott ist da, wo der Mensch ist,
der seinen Schutz und seine Fürsorge braucht. Die Kirche, in der wir hier sind, ist eine ursprünglich reformierte
Kirche. Unsere Gemeinde hat eine reformierte Tradition. Das ist eine
besondere Richtung des protestantischen Glaubens. Die Reformierten haben
alle Bilder aus den Kirchen entfernt, alles schmückende Beiwerk.
Ein Grund dafür: Nichts soll ablenken von der Konzentration auf das
Wort Gottes. Ein weiterer Grund ergibt sich aus der Jakobsgeschichte:
Es soll auch kein falsches Bild von Gott entstehen, keine falsche Erwartung
sich mit Gott verbinden. Gott kommt nicht in großer Pracht daher,
jedenfalls nicht, solange wir in diesem Leben auf der Erde sind. Um ihm
nahe zu sein, brauchen wir keine goldenen Leitern zu bauen. Jeder Ort
ist Gott recht, um einen Menschen erfahren zu lassen: ´Ich bin
da, ich bin bei dir, hab keine Angst, ich werde mit dir gehen und dich
nie im Stich lassen.` In der Geschichte der Menschheit macht Gott sich bemerkbar als ein unaufhörliches
Streben nach Gerechtigkeit. "Die Pleite des Kapitalismus",
so lautete die dicke Schlagzeile einer Zeitung am Donnerstag. Das ist
das Gute der gegenwärtigen Finanzkrise: Sie offenbart, dass der Markt
keine heilenden, sondern zerstörerische Kräfte hat. Das unkontrollierte
Wirken des Marktes hat die Staaten ins Wanken gebracht, die sich ganz
dem Gott des Marktes verschrieben haben. Gewissenlose Zocker haben nicht
nur Milliarden versenkt, sondern Millionen Menschen ins Elend gestürzt.
Man kann die Goldene Leiter im Forum Duisburg auch so sehen: Sie durchbricht die Decke des Marktes und weist zum Himmel, weist in eine andere Dimension. Der Markt ist eine Realität hier auf der Erde. Es ist nett, sich mal für eine Weile in dem glitzernden Palast aufzuhalten und dabei das eine oder andere schöne Teil zu erstehen. Aber der Markt kann und darf nicht alles beherrschen. Es gibt eine Realität, die größer und wichtiger ist: Das ist der Himmel, der auf die Erde kommen soll, das Himmelreich Gottes, das hier und jetzt seinen Ort haben soll. Kurt Marti hat diese Realität in einem Gedicht beschrieben. Ich habe es leicht abgewandelt: Der Himmel, der kommt, das ist der kommende Herr,
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