Predigt zu dem Bild "Sternennacht" von Vincent van Gogh |
In der Christnacht am 24. Dezember 2009 |
von Dorothee Brand-König und Friedrich Brand |
Was macht diese Nacht zu der Heiligen Nacht? Dieser Frage wollen wir
jetzt weiter nachgehen und dabei das Bild betrachten, das unter dem Namen
"Sternennacht" berühmt geworden ist. Es ist das Jahr 1889. Van Gogh war zu der Zeit 36 Jahre alt und befand sich in einer schweren seelischen Krise. Mehrfach suchte er deswegen ein Krankenhaus auf. Auf eigenen Wunsch begab er sich in das Asyl für Geisteskranke bei Saint-Rémy-de Provence. Sein Zimmer befand sich im oberen Geschoss. Von dort aus blickte er Richtung Osten auf ein Kornfeld und die Alpillen, eine Hügelkette in der Provence. Diesen Blick aus dem Fenster hat er in dem Bild festgehalten, das wir
als Karte vor uns haben. Astronomen haben nachgewiesen, dass die Anordnung des gesamten Kunstwerks
keine Erfindung ist. Van Gogh hat den Himmel darstellt, wie er sich kurz
vor Anbruch der Morgendämmerung zeigt. Er hatte großes Interesse
an Himmelserscheinungen. In einem Brief an seine Schwester schreibt er
"dass gewisse Sterne zitronengelb sind, andere leuchten rosa, grün,
blau, vergißmeinnicht-farben." "Es liegt auf der Hand",
so schreibt er weiter, "dass es durchaus nicht genügt, weiße
Punkte auf ein blaues Schwarz zu setzen, wenn man einen gestirnten Himmel
malen will." Um die Sterne herum ist alles in Unruhe. Mich erinnert der wirbelnde
Himmel an die Zeit vor Weihnachten an Gespräche. Da haben Menschen
davon erzählt, wie sie hin und her gewirbelt werden in ihren Gedanken,
ihren Ängsten und Sorgen. "Muss die Operation noch vor Weihnachten
sein?", fragte ein Patient besorgt. "Kann man den Eingriff nicht
verschieben? Nach Weihnachten sieht die Welt irgendwie anders aus."
Solche Fragen wirbeln einen hin und her, machen Angst und bereiten Unruhe.
In dieser vorweihnachtlichen Zeit noch viel mehr als sonst. Dabei spürt
man zugleich, wie man sich nach Ruhe und Geborgenheit, nach Klarheit und
Sicherheit sehnt. Das Bild ist im Mai oder Juni entstanden. Es ist dennoch ein Weihnachtsbild.
Zumindest wollen wir es heute Abend als solches ansehen. Das helle Band,
das sich in der Mitte über das ganze Bild hinzieht, deute ich als
Schweif eines Kometen. Kometen, Sternenebel und andere Himmelserscheinungen
haben Menschen damals zur Entstehungszeit des Bildes stark beschäftigt.
Was macht diese Nacht zur Heiligen Nacht? Gott lässt etwas von sich sehen. Er zeigt, dass er wacht über diese Erde und die Menschen, die auf ihr wohnen. Das helle Band des Sternennebels geht zu beiden Seiten aus dem Bild heraus. Diese Himmelserscheinung weist nicht an einen bestimmten Ort, wie der Stern von Bethlehem. Dieses helle Band leuchtet überall. Nicht nur die Hirten auf dem Feld, alle Menschen können es sehen, die Augen dafür haben. Und überall will Gott zur Welt kommen, überall will sein Wort Fleisch werden. Mit Jugendlichen haben wir am vergangenen Freitagim Krankenhaus Weihnachtslieder
gesungen. Die Jugendlichen und auch die erwachsenen Begleiterinnen hatten
richtig Spaß dabei, sie sangen kräftig und fröhlich. Ihr
Gesang war wie ein leuchtendes Band, das sich auf den Fluren ausbreitete.
Plötzlich öffneten sich Türen, Menschen traten näher
und lauschten den weihnachtlichen Klängen oder sangen selbst mit.
Was macht diese Nacht zur Heiligen Nacht? Gottes Licht leuchtet auf und
erfüllt Menschen mit Hoffnung und Zuversicht. Sie fassen neuen Mut.
Seine Erregung spürt man dem Bild ab. Wie lodernde Flammen, so ragen
die Zweige empor. Wie in Flammen, so sieht der ganze Himmel aus. Die Sterne
scheinen zu tanzen. "Mit fester Freude laufe ich durch die Gegend Dass alles gut wird, danach sehnte sich Vincent van Gogh sein Leben lang.
Er war Sohn eines Pfarrers und ist selber Pastor geworden. In seiner ersten
Predigt sagt er: Der Engel der Liebe, vielleicht sehen wir ihn auf dem Bild. Nicht als
Gestalt mit Flügeln, sondern als Lichterscheinung. Das spiralförmige
Band in der Mitte des Bildes erinnert mich an die Menge der himmlischen
Heerscharen, die wir aus der Weihnachtsgeschichte kennen. Sie verkünden
Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Was macht diese Nacht zur Heiligen Nacht? Gottes Licht leuchtet auf,
und bei den Menschen wird es hell. Dass Gott in unserer Welt uns und an unserem Leben Anteil nimmt, das
hat er in dieser Heiligen Nacht in besonderer Weise gezeigt. Das gilt
seither für alle Tage und Nächte. Gott macht das Dunkle hell.
Er lässt Mond und Sterne leuchten und erinnert die Menschen daran,
dass sie umfangen sind von seiner Güte und darunter geborgen sind.
Er lässt bei Tag die Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte.
Alle können sich freuen an seinem Licht. Er lässt Bäume
zum Himmel und Menschen über sich hinauswachsen. Es ist Weihnachten. Gott selbst macht aus dieser Nacht die Heilige Nacht.
Er lässt uns die frohe Botschaft verkünden: Freue dich, Christ
der Retter ist da. |