Predigt zu Römer 8,31-39 | |
31. Dezember 2009 | |
Was für ein starkes Wort! Ein Wort, das einen halten und tragen kann in jeder Lebenssituation. Meine Mutter hat es getragen. Ihre Mutter hat dieses Wort in kunstvoller Schrift auf ein Stück Holz geschrieben. Das Brett mit der Inschrift hing immer bei meinen Eltern im Hausflur. Wenn man aus der Küche in den Flur kam, schaute man darauf. So hatte jedes Familienmitglied den Spruch jeden Tag vor Augen, auch wenn man ihn nicht bei jedem Gang aus der Küche bewusst wahr genommen hat. Nun, da meine Eltern nicht mehr leben, hängt der Spruch an einer Wand in unserer neu bezogenen Wohnung. Er hat nicht nur meine Mutter und später meine Eltern durch ihr Leben getragen, er ist selbst auch getragen worden. Auf abenteuerliche Weise ist das Brett mit dem Spruch aus Breslau, der Hauptstadt von Schlesien, in den Westen gekommen. Mit ein paar Kostbarkeiten aus der Breslauer Magdalenenkirche haben meine Mutter und ihr Vater das Holzstück nach der Vertreibung aus der Heimat mit sich getragen. Für mich hat das symbolische Bedeutung. Ein Wort, das uns trägt, wird auch von uns getragen. Wir tragen es eher selten irgendwo aufgeschrieben mit uns Herzen. Wir tragen es in unserem Herzen. Der Spruch, der unseren heutigen Predigttext zusammenfasst, eignet sich gut dazu, dass wir ihn zu Herzen nehmen und dort mit uns herum tragen. "Ich bin gewiss, dass nichts uns scheiden mag von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn." Es ist ein starkes Wort, an dem ich selber immer wieder Trost und Halt finde. Allerdings gibt es Situationen, wo einem diese Gewissheit, dass nichts uns von der Liebe Gottes trennen mag, verloren gehen kann. Mir ist eine befreundete Familie in Oberhausen vor Augen. Im Juni hat die Frau ihren Mann durch einen tragischen Verkehrsunfall verloren. Bis heute ist nicht klar, wie es zu diesem Unfall gekommen ist. Am Freitag vor dem dritten Advent starb der Vater der Frau, kurz darauf eine Cousine. Eine Aneinanderreihung von Unglücken, die über das hinausgeht, was Menschen tragen können. Angehörige dieser Familie spüren nicht mehr, dass sie von der Liebe Gottes gehalten und getragen sind. Eine andere Familie hat den neunzehnjährigen Sohn zu Grabe getragen,
der an einem Hirntumor erkrankt war. Auf die Dankeskarte haben die Eltern
und die beiden Schwestern einen Vers von William Shakespeare drucken lassen:
"Das Herz kann viel Leid überwinden, wenn sich zur Qual und
Not Mitmenschen finden." Der Satz von der Liebe Gottes ist der krönende Abschluss eines langen
Kapitels. Darin geht es um das Leben, das Gott uns durch seinen Geist
schenkt. Der Heilige Geist bezeugt uns, dass wir Gottes Kinder sind. Als
solche haben wir eine Hoffnung: die Hoffnung, dass Gott denen, die ihn
lieben, alles zum Guten ausgehen lässt. Wie das geschehen kann, das erzählt die Geschichte dieser Frau.
Mit 56 Jahren und hat sie ihren Mann verloren. Nach und nach ziehen sich
die Freunde von ihr zurück. Nur ein einziges älteres Paar bleibt
treu an ihrer Seite. Zwei ehrliche, bescheidene Menschen, die keine Ratschläge
erteilen und nicht versuchen zu erklären, was geschehen ist. Als
sie sehen, dass die Freundin immer dünner wird, decken sie abends
für sie den Tisch. Auf einem Holzbrettchen schneiden sie zwei Butterbrote
in kleine Stücke, wie sie es früher für ihre Tochter gemacht
haben, als die noch klein war. "Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserm Herrn." Manchmal braucht es einen langen Weg, braucht es viel Geduld und viel Liebe, bis eine solche Gewissheit sich im Herzen einnisten kann. Das war auch bei dem Apostel selber so. Aus seiner Lebensgeschichte wissen
wir, dass er zunächst ein fanatischer Verfolger der neuen Sekte war,
die einen gewissen Jesus von Nazareth für den von Gott gesandten
Retter hielt. Wir können davon ausgehen, dass er mitverantwortlich
war für den gewaltsamen Tod von Anhängern dieser Glaubensgemeinschaft.
Schwere Schuld hatte er damit auf sich geladen. Gott ist für uns - das hat Jesus andere Menschen erfahren lassen. Jesus hat die Liebe Gottes verkörpert. Sie ist in ihm und durch ihn sichtbar und spürbar geworden. Sie wirkt weiter durch seinen Geist, den er auf der Erde zurück gelassen hat. Der Geist Jesu ist der Geist der Liebe. "Ich bin gewiss", schreibt Paulus, "dass nichts uns von
dieser Liebe trennen kann." Paulus hatte die ersten Christen im römischen
Weltreich im Blick. Menschen, die wie er selbst damit rechnen mussten,
wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden. Die Gewissheit, mit der Paulus spricht, kann er nicht ableiten aus dem,
was in der Welt geschieht. Da geschieht so viel Böses, so viel Unrecht,
so viel Dummes und Unsinniges, dass man nur zu dem Schluss kommen kann:
von einer liebenden Macht wird diese Welt nicht gelenkt. |