Predigt am 15. Januar 2012 - 2. Sonntag nach Epiphanias |
1. Korinther 2,1-10 |
Die Weisheit des Gekreuzigten |
Es ist verrückt, Die Rede ist vom Kreuz. Vom Kreuz, an dem Jesus Christus gestorben ist.
Für den Apostel Paulus ist es das Thema, um das alles andere kreist,
der wichtigste Glaubensinhalt: "Ich hielt es für richtig, nichts
zu wissen als allein Jesus Christus den Gekreuzigten". Das Kreuz
ist für ihn der Inbegriff der Weisheit Gottes. Ein Geheimnis macht neugierig. Mir geht es zumindest so. Ich möchte wissen, was sich hinter dem Geheimnis verbirgt. Als ich zwölf oder dreizehn Jahre alt war, gab es die Geheimnisbücher von Enid Blyton. "Geheimnis um ein verborgenes Zimmer" oder "Geheimnis um eine verschwundene Halskette." Ich habe diese Bücher verschlungen. Wenn die Stadtbibliothek öffnete, stand ich schon vor der Tür, um mit unter den Ersten in dem Gang zu sein, wo die Enid Blyton Bücher standen. Die waren damals sehr begehrt. Eine Gruppe von Jungs und Mädchen in meinem Alter um den Anführer Dicki mit seinem Hund Purzel löste die Geheimnisse. Später wurden sie abgelöst von den fünf Freunden. Auch die witterten Geheimnisse, wenn sie gemeinsam irgendwo Urlaub machten. Die Geschichten von Enid Blyton sind Krimis für Jugendliche. Offenbar werden sie heute noch gelesen. Denn sie wurden im Jahr 2000 neu aufgelegt. Ich lese heute auch immer noch gern Krimis oder sehe mir welche im Fernsehen an. Bei all diesen Geschichten geht es darum, ein Geheimnis aufzudecken, ein dunkles Geheimnis. Was da verborgen wird, soll auch verborgen bleiben. Als Leser oder Fernsehzuschauer verfolgt man gespannt, wie die Polizei oder der Detektiv das Geheimnis löst. Das ist meistens recht schwierig. Die Ermittler müssen Leute befragen, Beobachtungen, Spuren und Hinweise wie Puzzlestücke zusammenlegen, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Viel kriminalistischer Spürsinn ist dazu nötig, eine gute Beobachtungsgabe, die Fähigkeit zu kombinieren und den eigenen Vorurteilen zu misstrauen. Das Geheimnis Gottes, von dem Paulus spricht, ist auf den ersten Blick
auch ein dunkles Geheimnis. Man sieht jemanden, der am Kreuz hingerichtet
worden ist. Ein Justizmord ist geschehen. Nun geht es Paulus aber nicht
darum, die Täter zu überführen und den Mord aufzuklären.
Ihm geht es um Größeres. Er will zeigen, dass sich in diesem
unschuldigen Opfer Gott selbst verbirgt. Auch dazu sind all die Eigenschaften
nötig, die ein guter Ermittler braucht: ein wacher Verstand, Kenntnis
vieler Fakten, die Fähigkeit, diese zusammenzusetzen. Ganz wichtig
für Paulus war auch die Fähigkeit, eigene Überzeugungen
in Frage zu stellen und offen für neue Erkenntnisse zu sein. Bei schwierigen Kriminalfällen kommt dem Ermittler irgendwann ein genialer Einfall zu Hilfe, ein Geistesblitz, der ihn auf die richtige Spur bringt. So war es auch bei Paulus. Er hat für diesen genialen Einfall, für diesen Geistesblitz, der ihn auf die Spur des göttlichen Geheimnisses brachte, einen Namen: der Heilige Geist. Der hat ihm die Augen und den Verstand dafür geöffnet, die Hinweise aus den Heiligen Schriften zu verstehen und mit deren Hilfe in dem Kreuzestod Jesu die göttlichen Weisheit zu erkennen. Um dies auch den geliebten Schwestern und Brüdern in Korinth verständlich
zu machen, bringt er sich selbst ins Spiel: Die Weisheit Gottes - ein Gekreuzigter. Was für eine Enttäuschung
wird manch einer in Korinth gedacht haben. Von dem Geheimnis um die göttliche
Weisheit hatten sich einige damals mehr versprochen. Darum ist die Gemeinde
in ihren Anfängen recht klein geblieben. Wer wollte schon zu einer
Gruppe von Menschen gehören, die der Glaube vereint, dass in einem
Gekreuzigten Gottes Weisheit verborgen ist. Aus Erfahrung wissen wir alle: Niemand kommt glatt durchs Leben. Auch
Menschen nicht, die an Gott glauben. Es gibt Brüche, Krankheiten,
Unglücke, schmerzhafte Trennungen und Abschiede. Kein Leben ist vollkommen,
in jedem Leben geht etwas schief. Das ist die Weisheit, die im Kreuz verborgen ist. Das Kreuz ist der Inbegriff aller Gebrochenheit des menschlichen Lebens. Zugleich ist es das Zeichen, dass Gott in aller Gebrochenheit, in Krankheit, Hilflosigkeit und Angst nahe ist. Die Weisheit Gottes ist und bleibt eine verborgene. Sie ist und bleibt
ein Geheimnis, das wir nie vollständig aufklären können.
Sonst wäre sie nicht die Weisheit Gottes. Sie ist höher als
unsere Vernunft, übersteigt unser Vorstellungsvermögen, ist
größer als alles, was wir mit unseren Sinnen erfahren und mit
unserem Verstand erkennen können. Sind wir nun dem Geheimnis Gottes näher gekommen? Man kann ein Leben lang darüber nachdenken und daran forschen - man wird es nie aufklären. Gott ent-täuscht auch unser menschliches Verlangen, alles zu erklären und zu beweisen. Die Liebe, die Gott uns in Jesus Christus gezeigt hat, lässt sich nicht beweisen. So wie auch die Liebe zweier Menschen zueinander nicht. Wir können der Liebe Gottes und seiner geheimnisvollen Kraft nur vertrauen. Dieses Vertrauen wiederum möge Gott uns schenken. Darum schließe ich mit der Bitte: "Gott lass uns deine Gnade und Menschennähe erfahren und auf sie vertrauen in allem, was in unserem Leben und in unserer Welt geschieht." Amen. |