Lesung aus dem Heidelberger Katechismus
Was ist wahrer Glaube? (Frage 21)
Wahrer Glaube ist nicht allein
eine zuverlässige Erkenntnis,
durch welche ich alles für wahr halte,
was uns Gott in seinem Wort geoffenbart hat,
sondern auch ein herzliches Vertrauen,
welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt, dass auch mir
Vergebung der Sünden,
ewige Gerechtigkeit und Seligkeit von Gott geschenkt ist, aus lauter Gnade,
allein um des Verdienstes Christi willen.
So steht geschrieben:
Petrus spricht zu dem Herrn Jesus:
Herr, wohin sollen wir gehen?
Du hast Worte des ewigen Lebens;
und wir haben geglaubt und erkannt:
Du bist der Heilige Gottes.
Und ein Gelehrter der jungen Kirche schreibt:
Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht des, das man hofft, und ein
Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht
Was muss ein Christ glauben? (Frage 22)
Alle Verheißungen des Evangeliums,
die im einmütigen Glaubensbekenntnis
der allgemeinen christlichen Kirche
zusammengefasst sind.
Was ein Christ glaubt
Predigt am 3. November 2013
zur Goldkonfirmation
Auch der Katechismus hat ein Jubiläum
Ein fünffaches Jubiläum feiern wir heute: Goldene, Diamantene,
Eiserne und Gnaden-Konfirmation. Erinnerung an die Konfirmation vor fünfzig,
sechzig, fünfundsechzig und siebzig Jahren. Das fünfte Jubiläum
bezieht sich auf das Lehrbuch, aus dem Sie im Unterricht gelernt haben:
Der Heidelberger Katechismus. Er wird in diesem Jahr 450 Jahre alt. Ein
Grund, auch dieses Büchlein zu würdigen.
Sie werden damals als junge Menschen gestöhnt haben. Für die,
die hier in Wanheim konfirmiert wurden, fand der Unterricht zweimal wöchentlich
statt. Im ersten Jahr hieß er Katechumenenunterricht. Unterweisung
im christlichen Glauben war das Thema. Diese Unterweisung geschah mit
Hilfe des Katechismus.
Der ist in 129 Fragen und Antworten aufgeteilt. Sie hatten als junge Katechumenen
von einer zur nächsten Stunde eine Frage nach der anderen auswendig
zu lernen. Das war mit viel Mühen verbunden. Denn der Text reimt
sich nicht und ist an vielen Stellen schwer zu verstehen.
Bei dem Vorbereitungstreffen Anfang Oktober fragte ich die Anwesenden,
was sie behalten haben. Es stellte sich heraus: So gut wie nichts. Bruchstücke
der Frage 1 waren noch einigen in Erinnerung: Was ist dein einziger Trost
im Leben und im Sterben?
"Dass ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben, nicht
mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin, der mit
seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlt
und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat und also bewahrt,
dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt
kann fallen, ja auch mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum
er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens versichert
und ihm forthin zu leben von Herzen willig und bereit macht."
Tröstliche Worte. Aber nicht einfach, sie auswendig zu lernen. Zumal
Sie damals den Sinn kaum verstanden. Aber die Unterrichtenden meinten
es ernst. Für die 1953 und früher Konfirmierten war das Pfarrer
Pickert. Für die Goldkonfirmanden war das Pastor Döninghaus,
der Pastor Blank entlastete und für das erste Unterrichtsjahr zuständig
war. Nach dem ersten Jahr gab es eine Prüfung. Da wurde das auswendig
Gelernte abgefragt.
Im zweiten Jahr ging es weiter mit dem Lernen. Auch das schloss mit einer
Prüfung ab. Nur wer die bestand, wurde dann vom Presbyterium zur
Konfirmation zugelassen. Strenge Sitten damals. Als "ganz schlimm"
haben das einige empfunden und die Fragen und Antworten des Katechismus
schnell wieder vergessen.
Wichtig war das Zusammensein in der Gemeinde
Der Katechismus spielte auch im weiteren Leben keine Rolle mehr. Eine
große Zahl der 1953 und 1963 Konfirmierten blieb auch nach der Konfirmation
der Gemeinde treu. "Fräulein Lierhaus", so wurde sie genannt,
leitete die "Jungschar". Gemeinsam mit Pastor Pickert führte
sie im Sommer eine Freizeit durch. Das Blaukreuzheim in Wädenswil
am Schweizer Zürichsee war das Ziel.
In den sechziger Jahren übernahm Jutta Bütteführ die Jugendgruppe.
Zusammen mit Pastor Blank fuhr die Jugend nach Kärnten oder Interlaken,
wo alle auf Strohsäcken in einer Almhütte geschlafen haben.
Später war die Ramsau als Freizeitort angesagt. Frau Gutmann und
Frau Dohmen waren als Köchinnen mit dabei. Weil sie so schön
rund und dick war, wurde Frau Gutmann von allen "Tante Fine"
genannt. Eigentlich hieß sie Elisabeth. Sie war ganz toll als Köchin
und konnte gut mit den jungen Leuten. Wenn die mal über die Stränge
schlugen, meckerte sie nicht, sondern sagte ihnen in ihrem Wanheimer Platt
auf liebevolle Weise Bescheid. Gelegentlich fuhr auch Elisabeth Ziemer
als Köchin mit. Die Gruppe versorgte sich selbst. Selbstverständlich
mussten die jungen Leute bei der Küchenarbeit helfen. Die Freizeiten
sind denen, die dabei waren, als tolle Erlebnisse in Erinnerung.
Der Katechismus enthält wichtige Aussagen
Auch wenn die Sätze des Katechismus so fremd klingen wie vor fünfzig
und mehr Jahren, sie haben doch Wichtiges zu sagen.
"Was ist wahrer Glaube?", so heißt die Frage 21. "Was
ein Christ glauben muss?", darauf antwortet die Frage 22.
Stärkung des Glaubens, das bedeutet die Konfirmation. Um eine erneute
Stärkung und Bestätigung geht es bei der heutigen Jubiläumsfeier.
Also lohnt es sich, einmal zu fragen, was ein Christ glaubt und was wahrer
Glaube eigentlich ist.
Die Antwort, die der Katechismus gibt, ist durchaus bedenkenswert:
"Wahrer Glaube ist nicht allein eine zuverlässige Erkenntnis,
durch welche ich alles für wahr halte, was uns Gott in seinem Wort
geoffenbart hat, sondern auch ein herzliches Vertrauen, welches der Heilige
Geist durchs Evangelium in mir wirkt". Kurz gesagt: Wahrer Glaube
ist eine zuverlässige Erkenntnis und ein herzliches Vertrauen.
Vertrauen ist so etwas wie der Boden unter unseren Füßen.
Ein Geländer, an dem wir uns festhalten können. Vertrauen ist
das, was uns Halt gibt. Ohne Vertrauen könnten wir nicht leben. Wir
vertrauen darauf, dass die Erde sich in gleichmäßigem Abstand
um die Sonne dreht und nicht aus ihrer Bahn fällt. Wir vertrauen
darauf, dass nach jeder Nacht ein neuer Morgen kommt. Ich vertraue darauf,
dass auf der Autobahn die anderen Fahrer auf der richtigen Spur unterwegs
sind und mir nicht entgegen kommen. Ich vertraue darauf, dass der Bäcker
mir frisches Brot verkauft, in dem keine Schadstoffe enthalten sind. Ich
vertraue darauf, dass die Menschen in meiner Umgebung mir die Wahrheit
sagen und mich nicht anlügen.
In den letzten zwei Jahren habe ich deutlich zu spüren bekommen,
wie verwundbar mein Körper ist und wie verletzlich ich selber bin.
Da habe ich neu vertrauen gelernt, so wie Dietrich Bonhoeffer es beschrieben
hat:
"Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes
entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage
so viel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen."
Vertrauen braucht Erkenntnis
Um auf Gott vertrauen zu können, muss ich wissen, wer er ist. Vermutlich
wird niemand von uns einem Menschen blind vertrauen, den er oder sie nicht
kennt. Bevor wir jemandem unser Vertrauen schenken, müssen wir erst
einmal vertraut mit ihm werden. Genauso ist es mit Gott.
Darum gehört zum Vertrauen auch die Erkenntnis. Damit ich Gott vertrauen
kann, muss ich wissen, mit wem ich es zu tun habe. Gott ist größer
als alles, was ich sehen und denken kann. Mein Verstand reicht bei weitem
nicht, um Gott zu erkennen. Dazu reicht keines Menschen Verstand. Deshalb
hat Gott sich von sich aus uns Menschen bekannt gemacht. Er hat das Volk
Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit und in ein Land
geführt, in dem es gut leben konnte. So hat er sich bekannt gemacht
als Gott, der eingreift in unsere menschlichen Geschicke. Ein Gott, der
sieht, wo Menschen in Not sind, der ihr Klagen hört, der hilft, der
Menschen befreit und auf guten Wegen führt.
Israel hat die von Gott geschenkte Freiheit allerdings wieder verspielt.
Anstatt den Weisungen Gottes zu folgen, gingen die Könige eigene
Wege. Die Gier nach mehr Macht und größerem Reichtum trieb
sie an. So wuchs die Ungerechtigkeit im Land. Von außen wuchs die
Bedrohung durch fremde Mächte. Die nahmen Israel in Besitz. Der Staat
hörte auf zu existieren. Nun warteten die Menschen sehnsüchtig
darauf, dass Gott noch einmal eingreifen und sie befreien würde.
Da sandte Gott seinen Sohn. Durch ihn machte er sich aufs Neue der Menschheit
bekannt. Als Gott, der Traurige tröstet, der Weinenden die Tränen
abwischt, der Niedergeschlagene aufrichtet, der Blinde sehen und Taube
hören lässt. Durch Jesus wissen wir: Unser Gott ist einer, der
mit uns Menschen etwas zu tun haben will, der uns in seine Gemeinschaft
ruft. Niemand soll außen vor bleiben. Niemand soll sagen: ich bin
zu schlecht, zu unwürdig, um in Gottes Nähe zu sein. Niemand
soll sagen: Ich habe es nicht verdient, dass Gott sich um mich kümmert.
Besonders der Menschen hat Jesus sich angenommen, um die sich sonst niemand
gekümmert hat. Er hat den Menschen verloren gegangenes Vertrauen
wieder geschenkt, Vertrauen in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten.
Dadurch sind Menschen heil geworden. "Dein Glaube, dein Vertrauen
hat dir geholfen." Mit diesem Satz hat Jesus einige Menschen geheilt
nach Hause geschickt.
Die Erfahrungen, die Israel mit Gott in seiner Geschichte gemacht hat
und die Menschen mit Jesus gemacht haben, haben Menschen sich weiter erzählt
und aufgeschrieben. Ihre Aufzeichnungen sind gesammelt in dem Buch, das
für uns das Buch der Bücher ist, die Bibel. Durch dieses Buch
können wir erkennen, wer Gott ist und was er für uns tut.
Zuverlässige Erkenntnis über Gottes Wirken gewinnen wir aus
der Bibel. Sie macht uns vertraut mit Gott, sodass wir ihm vertrauen können.
Der Katechismus fasst zusammen, was die Bibel von Gott uns seinem Wirken
berichtet. Friedrich III, Fürst der Kurpfalz hat ihn in Auftrag gegeben.
Zacharias Ursinus, ein Schüler des Reformators Melanchthon, lieferte
den Entwurf. Andere Heidelberger Theologen und der Kurfürst selbst
reicherten den Text mit eigenen Erkenntnissen an. Im März 1563 kam
die erste Ausgabe des Heidelberger Katechismus heraus, versehen mit einem
Vorwort des Kurfürsten.
Sein Ziel war es, den Glauben der Menschen in der unruhigen Zeit nach
der Reformation zu stärken und zu festigen. Die Menschen sollten
wissen, was sie glauben. Die Lehrer sollten ein Unterrichtsbuch haben
für die Jugend. Das ist der Katechismus jahrhundertelang geblieben.
Er ist weltweit verbreitet. Die Themen, die der Katechismus anspricht,
bestimmen auch heute noch den kirchlichen Unterricht: Glaubensbekenntnis,
Gebote, Taufe und Abendmahl, das Vaterunser und das Leben als Christ.
Auch wenn sie, die heutigen Jubilarinnen und Jubilare, inhaltlich nicht
mehr viel wissen von dem, was im Katechismus steht, eines haben Sie mitgenommen
auf Ihre Lebenswege: Das Vertrauen darauf, dass ein Gott da ist, der es
gut mit uns Menschen meint.
Sicher ist nicht alles glatt gegangen in Ihrem Leben. Schwierige Wegstrecken,
Krankheiten, Verluste, Abschiede - all das erspart Gott uns nicht. Je
älter wir werden, desto mehr bekommen wir damit zu tun. Aber Gott
lässt uns auch spüren, dass er als eine stille Kraft an unserer
Seite und in uns ist. Heiliger Geist, so nennen wir diese Kraft. Sie schenkt
uns Hoffnung und Zuversicht. Durch sie erfahren wir, dass Gott da ist,
tröstet, macht Mut.
An einem Tag wie diesem empfinden wir Dankbarkeit für das bisherige
Leben, für manche gute Fügung Gottes. Auf geheimnisvolle Weise
hat uns bis hierher gebracht und geleitet. Im Vertrauen auf ihn wollen
wir unsere weiteren Wege gehen. Solches Vertrauen wünsche ich Ihnen
und uns alle.
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