Interview mit Pfarrer Rolf Seeger zu seinem Eintritt in den Ruhestand


- Rückblick auf sein ausgefülltes Berufsleben in unseren Gemeinden und Ausblick auf das, was kommt -

Was hat Dich bewogen nach Duisburg zu kommen?

Wir kannten Pfarrpersonen, die gerne in Duisburg lebten und arbeiteten. Dass sich die Gemeinde Wanheimerort auf uns als Pfarrehepaar einließ, fanden wir innovativ und toll.

Was waren die Herausforderungen der ersten Jahre?

Ich wurde schnell Vorsitzender des Presbyteriums. Mit den vielen Einrichtungen und Mitarbeitenden gleicht die Gemeinde einem beachtlichen Unternehmen. Zudem steht man auf einmal stark in der Öffentlichkeit. Und dann galt es, manches neu oder wieder aufzubauen, z. B. Kindergottesdienst und Familienfreizeiten.

Wie hat sich Dein Berufsleben im Laufe der Jahre verändert?

Darüber könnte man ein ganzes Buch schreiben. Mir fällt zum Beispiel ein: Vieles ist komplexer geworden, z. B. als Gemeinde Trägerin eines Kindergartens zu sein. Sodann wird Vernetzung immer wichtiger. So haben wir zum Beispiel mit den Nachbargemeinden zusammen die Online-Gottesdienste entwickelt oder größere Veranstaltungen in der Jugendarbeit eingeführt, wie Praystation. Und man selbst verändert sich ja auch. Durch persönliche Veränderungen und Weiterbildungen entwickelt man neue Fähigkeiten. Das habe ich in der Seelsorge zum Beispiel bei Beerdigungsgesprächen gemerkt. Mit zunehmendem Alter fällt einem Anderes dagegen nicht mehr so leicht.

Was war Dein schönstes, lustigstes, peinlichstes Erlebnis?

Es gab viele schöne Erlebnisse. Bei einer Kirchenführung mit der Grundschule Eschenstraße hatten wir uns das Rosettenfenster in der Gnadenkirche angesehen. Wir stellten fest, es sieht aus wie eine Blüte. Da sagte ein Kind aus vollem Herzen: "Ist ja auch klar, denn hier kann man aufblühen." - Kann man den Sinn einer Kirche schöner beschreiben? -

Wir hatten mit Kindern gezeltet. Es war nachts allzu kalt geworden. Wie würden die Kinder aufwachen? Da krabbelte ein Junge fröhlich aus dem Zelt. Ich fragte: war es nicht zu kalt? Er wehrte vehement ab. Wir sind doch nicht empfindlich. Es war nicht kalt, es war "kühlschrankwarm".

Der gleiche Junge sagte in einem Schulgottesdienst: "So wie ich den Laden hier kenne, geht es bestimmt um Jesus." Wir haben immer wieder darüber gelacht.

Ich stehe vor der Gemeinde und sehe: du hast ja rote Schuhe an - zum Talar! Mir schoss es durch den Kopf: wie konnte das passieren? Geh etwas in die Knie, dass der Talar länger fällt. Und vor allem guck nicht hin, sonst merken es die Leute erst recht und alle gucken auf deine Schuhe. - Die roten Schuhe haben mich noch in Träumen verfolgt und wurden immer rötlicher.

Was schätzt Du an unserer Gemeinde und was wünschst Du Dir für die Zukunft unserer Gemeinde?

Wir sind eine lebendige Gemeinde. Und sie ist stark sozial-diakonisch engagiert. Ich kenne viele Menschen, die bereit sind mitzumachen. Dieses Potenzial muss gehoben werden. Dafür braucht es Ehrenamtliche und Hauptamtliche. Ich wünsche mir, dass die Pfarrstelle neu besetzt werden kann und die Stelle in der Jugendleitung auch. Ich möchte, dass sich die Menschen weiter mit unserer Gemeinde identifizieren. Kirche ist immer konkrete Gemeinde und keine abstrakte Größe. Das kann man in unserer Rheingemeinde erleben.

Was ist Dein Wunsch für die Kirche der Zukunft?

Ich wünsche ihr, dass es ihr gelingt, nahe bei Gott und nahe bei den Menschen zu sein.

Inwieweit hilft Dir Dein Glaube in der aktuellen, herausfordernden Lage bezüglich Politik und Gesellschaft?

Der christliche Glaube ist im Kern nach vorne gerichtet. "Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, ist nicht geschickt für das Reich Gottes," sagt Jesus. Gott geht mit uns und kommt uns aus der Zukunft entgegen. Es gibt einen herausfordernden und heilsamen "Sog Richtung Zukunft". Den brauchen wir in Kirche und Gesellschaft. Zudem dürfen wir uns nicht anstecken lassen von Spaltungen, Überforderungen, gegenseitigen Vorhaltungen und Ächtungen in unserer Gesellschaft. Sie helfen niemandem. Wir brauchen Gott und wir brauchen einander. Gott sind wir als wunderbare und fehlerhafte Menschen recht. Diese Mitmenschlichkeit müssen wir leben und anmahnen.

Worauf freust Du Dich und welche Pläne hast Du für Deine neu erworbene Freizeit?

Ich freue mich echt darauf, nach Hause zu kommen und nicht zuerst schauen zu müssen, ob der dienstliche Anrufbeantworter blinkt. Auf dem Programm ganz oben stehen mehrtägige Fahrradtouren und Bahnfahrten durch Europa. Als ausgebildeter Supervisor/ Coach und Körperorientierter Gestalttherapeut kann ich in diesen Bereichen tätig sein und eben auch als Pfarrer i. R. - Aber vor allem keinen Stress. Und ich habe mehr Zeit für meine Enkelkinder. Da bin ich für nächste Woche schon gebucht.

Wo siehst Du die Kirche im Jahr 2050, hat Kirche eine Zukunft?

Wie in der Gesellschaft so stehen wir auch in der Kirche in einem Transformationsprozess. Es geht um Veränderungen auf der Basis des Bestehenden mit der Bereitschaft zu größeren Neuorientierungen. Die Kirche wird mehr Beteiligungskirche sein, offener zur Mitgestaltung, vielfältiger, "strubbliger" und digitaler. Sie wird in einen stärkeren Kontrast zu bedenklichen Entwicklungen in unserer Gesellschaft treten. Viele äußern sich über die Zukunft der Kirche ohne zu wissen, was eigentlich Kirche ist. Gottes Liebe in Jesus Christus lässt Menschen zusammenkommen. Sie danken Gott und feiern seine Gegenwart in ihrer Mitte. Seine Gemeinde/Kirche beruft er, seine Liebe in Wort und Tat weiterzugeben. In welcher Form auch immer. In dem Lied "Mit-bei-füreinander" habe ich das im Text zum Ausdruck gebracht. Daniel Drückes hat eine coole Melodie dazu geschrieben. (Text am Ende des Interviews)

Was würdest Du Deinem/r Nachfolger/in mit auf den Weg geben?

Sei nicht so sehr Wissende/r. Entdecke lieber mit anderen zusammen, was dran ist, statt für sie zu planen und Dinge anzubieten. Du kannst sie sogar machen lassen, ohne dass Du dabei bist. Schau, was entsteht. So kommst Du auch besser mit Deiner Zeit und Deinen Kräften klar. Gottvertrauen und Humor sind immer gut.

Was wirst Du am allerwenigsten vermissen?

Es gibt immer viel Klein-Klein zu regeln. Das ist wichtig, nervt aber auch und kostet Zeit.

Was ist Dein Resümee im Blick auf Deine Zeit als Pfarrer?

Ich war gerne Gemeindepfarrer. Es ist ein wunderbarer Beruf. Ich konnte andere bereichern und wurde bereichert. Es geht immer um die wesentlichen Fragen des Lebens. Es war in Vielem eine gesegnete Zeit.

Vielen Dank für das Interview! Ich wünsche Dir, auch im Namen des Presbyteriums der Rheingemeinde, eine erfüllte und glückliche Zeit, in der Du viele Deiner Pläne umsetzen und leben kannst. Bleibe stets behütet!

Das Interview führte Heike Schönrock.